Es ist ein magischer Moment in der Kindheit, an den sich viele von uns noch als Erwachsene erinnern können: Der Moment, in dem wir die ersten Meter mit dem Fahrrad gefahren sind. Allein und ohne Mamas oder Papas Hilfe.
Wenn Kinder das Fahrradfahren lernen, ist der Stolz groß. Zu Recht, wie Andi Mündörfer vom Amt für Sport und Bewegung in Stuttgart sagt. „Kinder werden beim Radfahren zum ersten Mal zu Verkehrsteilnehmer:innen. Sie realisieren, dass sie ein neues Level in ihrer Geschwindigkeit erreichen und damit auch Verantwortung tragen“, erklärt Mündörfer, der in Stuttgart die Transferstelle für den Bewegungspass in Baden-Württemberg koordiniert.
Fahrradfahren fördert außerdem die Körperwahrnehmung, das Koordinationsvermögen und den Gleichgewichtssinn der Kinder. Sie müssen Arme und Beine gleichzeitig bewusst einsetzen, lenken und bremsen und zugleich auf Hindernisse achten und ihre Geschwindigkeit steuern. Radfahren ist deshalb auch wichtig für die Entwicklung des Gehirns.
Aufs Rad zu steigen ist außerdem das einfachste Werkzeug, um dem Alltag zu entfliehen. Mit dem Rad aufs Feld oder in den Wald und schon pustet der Fahrtwind alle Sorgen weg. „Radfahren ist ein Gefühl der Freiheit – losgelöst vom Alter oder sozialen Status“, ergänzt Andi Mündörfer.
Aber wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt für den Nachwuchs, um das erste Mal aufs Fahrrad zu steigen? Welche Technik ist die beste, um den Kids das Fahrradfahren beizubringen? Und wie groß soll das Rad sein, damit das Kind sicher unterwegs ist? Wir haben die wichtigsten Fragen von Eltern zusammengetragen und beantworten sie in diesem Artikel.
Ab wann können Kinder Fahrradfahren lernen?
Ein bestimmtes Alter, ab dem alle Kinder Radfahren lernen sollten, gibt es nicht. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Kids das nötige Körpergefühl mitbringen und motorisch in der Lage sind, ein Fahrrad zu steuern. Wann es so weit ist, ist bei jedem Kind anders. Manche Kinder möchten schon mit drei Jahren die ersten Fahrversuche machen, andere brauchen etwas länger.
Kinder, die vorher schon mit dem Roller oder Laufrad unterwegs sind, fällt das Fahrradfahren oft leichter. Sie haben dann schon einige Zeit ihren Gleichgewichtssinn, ihre Reaktionsfähigkeit und ihre Körperbeherrschung trainiert. Ein Laufrad ist daher die beste Vorbereitung auf das Fahrradfahren.
Welches Fahrrad eignet sich für welches Alter?
Die richtige Größe des Kinderfahrrads ist sehr wichtig. Das Kind soll sich auf seinem neuen Gefährt schließlich sicher fühlen. Je nachdem, wie groß das Kind ist, wenn es Radfahren lernt, gibt es unterschiedliche Rahmengrößen. Für die Kleinsten geht es los mit Fahrradmodellen in 12 Zoll. Sie eignen sich schon für kleine Radler ab drei Jahren.
Kinder, die das Fahrradfahren noch lernen müssen, sollten mit beiden Füßen bequem auf dem Boden stehen können, wenn sie im Sattel sitzen. Nur die Fersen dürfen dabei den Bodenkontakt verlieren.
Schenken Sie Ihrem Kind das erste Fahrrad lieber nicht als
Überraschung. Bevor Sie sich für ein Modell entscheiden, sollte das Kind das neue
Zweirad ausprobieren können. Stimmt die Größe? Kann das Kind mit den Fingern
den Bremshebel umfassen? Sind die Arme leicht gebeugt, wenn das Kind die
Lenkergriffe umfasst?
Unser Tipp: Machen Sie den Sitz-Check.
- Stellen Sie den Fahrradsattel so niedrig wie möglich.
- Setzen Sie Ihr Kind auf den Sattel.
- Stellen Sie die Füße des Kindes auf den Boden.
- Berühren die Füße nicht den Boden, ist das Fahrrad zu groß.
- Sind die Beine dabei stark gebeugt, ist das Kinderfahrrad zu klein.
Welche die richtige Fahrradgröße für Ihren Nachwuchs ist, können Sie ganz einfach herausfinden. Messen Sie die Schrittlänge Ihres Kindes. Das ist die Länge zwischen Boden und Schritt.
Sie können die Schrittlänge ganz einfach messen, indem Sie Ihrem Kind vorsichtig ein Buch zwischen die Beine klemmen und es langsam nach oben zum Schritt schieben. Nehmen Sie einen Zollstock und messen Sie die Länge von der oberen Buchkante bis zum Boden. Ab einer Schrittlänge von 40 Zentimetern eignet sich die kleinste Fahrradgröße von 12 Zoll.
Wenn Sie mehr zum Thema Fahrradkauf wissen möchten: Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) gibt in einem Flyer Tipps für die Anschaffung eines Kinderfahrrads.
Unser Tipp: Lassen Sie sich beim Fahrradkauf beraten. Ein hochwertiges Modell lohnt sich. Es kann später dem kleinen Geschwisterchen noch treue Dienste leisten und hat einen hohen Wiederverkaufswert. Falls Sie für das erste Fahrrad nicht viel investieren möchten oder können, lohnt es sich, nach einem gebrauchten Markenmodell Ausschau zu halten. Die Auswahl ist meistens groß und in jeder Preisklasse etwas dabei. Aber lassen Sie auch vor diesem Kauf Ihr Kind das Zweirad ausprobieren.
Wie Sie Ihrem Kind das Fahrradfahren beibringen
Bevor Sie Ihrem Kind das Radfahren beibringen, sollten Sie ihm in einer Trockenübung zeigen, wie das Fahrrad funktioniert. Heben Sie das Kinderfahrrad an und bewegen Sie mit den Händen die Pedale. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie man die Bremsen anzieht und damit die Kette zum Stillstand bringt.
Die meisten Kinder haben Schwierigkeiten mit dem Anfahren. Beim Losfahren fällt es ihnen schwer, das Gleichgewicht zu halten. Zu Beginn sollten Sie Ihren Spross daher locker an Rücken oder Schultern stützen oder den Sattel festhalten.
Anschubsen statt Schieben
Laufen Sie ein kleines Stück mit, aber vermeiden Sie es, das Fahrrad konstant aktiv zu schieben. Wenn Sie das ein paar Mal gemacht haben, können Sie Ihr Kind für den ersten Schwung leicht anzuschubsen und ihm so das Losfahren erleichtern. Damit motivieren Sie es, selbst in die Pedale zu treten. Das klappt oft nicht beim ersten Mal. Hier ist Geduld von Eltern und Kind gefragt.
Manchen Kindern hilft es, wenn sie zunächst die Beine wie beim Laufrad baumeln lassen, um ein Gefühl für das neue Gefährt zu bekommen. Erst im nächsten Schritt können sie sich dann mit den Pedalen beschäftigen.
Stützräder fürs Radfahren lernen – ja oder nein?
Eltern können sich oft noch daran erinnern, dass sie selbst ihre ersten Fahrversuche mit Stützrädern gemacht haben. Heute raten Expert:innen, auf Stützräder zu verzichten. Der Grund: Stützräder fördern zwar das Treten der Pedale. Aber Kinder verinnerlichen durch Stützräder nicht die gesamte Koordination zwischen Treten, Lenken, Bremsen und Gleichgewicht halten. Außerdem gewöhnen sie sich eine Kurvenhaltung an, die sie sich wieder abgewöhnen müssen, wenn die Stützräder erst einmal abmontiert sind.
Welche Orte eignen sich zum Fahrradfahren lernen?
Natürlich sollten die Kids ihre ersten Fahrversuche nicht gerade dort machen, wo Autos unterwegs sind. Es gibt viele Orte und Plätze, wo die Kinder sich sicher an das neue Zweirad gewöhnen können. Generell gilt: Der Übungsort sollte wenig Hindernisse haben und möglichst ebenerdig sein. Wir haben ein paar Ideen für Sie zusammengetragen.
- Parks sind sehr gute Orte, um das Fahrradfahren
zu lernen. Gerade an den Nachmittagen und Wochenenden sind allerdings viele
Spaziergänger und Radfahrer in den Parks unterwegs. Suchen Sie sich am besten
eine Tageszeit aus, an der es noch nicht so voll ist. Dann ist es auch für Sie
als Eltern entspannter.
- Wenn Sie an einem Sonn- oder Feiertag mit Ihrem
Kind üben wollen, dann könnte ein großer Parkplatz der perfekte Ort sein, etwa an
einem Einkaufszentrum. Dort hat Ihr Kind viel Platz, keine Hindernisse und
einen geraden Straßenbelag.
- Ein eigener Innenhof am Haus ermöglicht wohl die entspannteste Art, dem Nachwuchs das Biken beizubringen. Er sollte allerdings nicht zu klein sein, damit das Kind ausreichend Schwung holen kann, um ein paar Meter zu fahren.
Unser Tipp: Wer Lust hat, kann ein Stück Kreide mitnehmen und für die Kids einen Parcours zeichnen.
„Sehr gut eignen sich übrigens auch Feldwege“, rät Andi Mündörfer. „Im Raum Stuttgart findet man sie zum Beispiel an den Stadträndern.“
Wenn das Kind schon etwas fester im Sattel sitzt, dann gibt es auch sehr schöne Strecken am Fluss entlang, wie zum Beispiel am Neckar. „Am besten ist es, etwas aus Stuttgart rauszufahren, denn da ist es weniger voll und die Wege etwas breiter. Da kann man mit Kids auch am Wochenende entspannt radeln“ ist der Tipp von Andi Mündörfer.
Das Wichtigste beim Üben mit dem neuen Gefährt ist, dass Sie Geduld und Verständnis für Ihr Kind aufbringen. Wenn es nicht gleich klappen will, dann kommt es vielleicht bei der nächsten Übungsrunde zum magischen Moment, an den sich Ihr Kind noch lange im Leben erinnern wird.
Und immer dran denken: Helm nicht vergessen!